Von Thünen kommt zu dem Ergebnis, dass es offenbar keine absolute Vorteilhaftigkeit lediglich einer bestimmten Bewirtschaftungsart des Bodens gibt.

Thünen wurde in seinem Denken und Handeln wissenschaftlich und praktisch nicht nur von Albrecht Thaer und Adam Smith, die er später als seine „Lehrer“ bezeichnet hat, maßgeblich beeinflusst. Über das Wirken Staudingers und seine Göttinger Universitäts-Studien wurde er auch zum Kantianer. Noch im gleichen Jahr, in dem er den Aufsatz über die Landwirtschaft von Großen-Flotbek geschrieben hatte, zog er nämlich weiter in das niedersächsische Celle, um den dort lehrenden Albrecht Thaer, den wohl einflussreichsten Agrarökonomen der damaligen Zeit, zu hören. Im Anschluss daran ging er für zwei Semester zum Studium der Ökonomie an die Universität Göttingen. Insbesondere dort dürfte er auch sein bereits in Großen-Flotbek begonnenes philosophisches Grundlagenstudium fortgesetzt haben. Die intensive Beschäftigung mit allen drei Geistesheroen kommt in seinem wissenschaftlichen Hauptwerk und in mehr als 60 kleineren Veröffentlichungen zum Ausdruck. Der Erste Hauptteil des „isolierten Staates”, der die landwirtschaftliche Produktionstheorie und die Standorttheorie enthält, aber auch ländervergleichende Abschnitte, erschien in erster Auflage bereits 1826 und verbessert 1842. Der Zweite Hauptteil, erste Abteilung, mit den fundamentalen Abschnitten zur Zins-, Lohn- und Kapitaltheorie, aber auch mit Aussagen zur Sozial-Ökonomie sowie zu den Methoden und zur Wissenschaftstheorie, folgte erst 1850. Der Dritte Hauptteil mit den Aussagen zur Forstwirtschaft, erschien zusammen mit den Aussagen der zweiten Abteilung des Zweiten Hauptteils sogar erst 1863, d. h. nach Thünens Tod, herausgegeben von seinem Schüler und späteren Mitarbeiter Hermann Schumacher. Eine vollständige Gesamtausgabe aller drei Teile veröffentlichte wiederum Schumacher 1875. In Deutschland kann gegenwärtig u. a. auf eine Auflage der ersten beiden Teile und bisher unveröffentlichter Manuskripte von 1990 zurückgegriffen werden. Bezüglich des Dritten Hauptteils sei auf die gerade erschienene Neuauflage verwiesen (vgl. Näheres im Literaturverzeichnis).

Was besagt die landwirtschaftliche Produktionstheorie, einschließlich der Standortlehre in aller Kürze, bei Verzicht auf jegliche Darstellungs-Details der Thünenschen Argumentation? Ausgangspunkt ist für den Autor die sehr präzise – als „isolierter Staat“ – bezeichnete Vorstellung eines beispiellosen Konstruktivmodells, das durch die Lage des Ortes Großen- Flotbek zum Absatzort Hamburg angeregt wurde. Die Vorstellung des Modells beginnt mit den nicht ohne Grund berühmt gewordenen Worten:„Man denke sich eine große Stadt in der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen“. Thünens Hauptziel war es in der Produktions- und Standorttheorie zweifellos, die jeweilige nur relative Vorteilhaftigkeit verschiedener Bewirtschaftungsweisen des Bodens zur Produktion landwirtschaftlicher Güter zu erfassen, und dies unter zentraler Beachtung der jeweiligen Transportkosten für die Anlieferung der einzelnen Güter. Der niemals den Praktiker außer Acht lassende wissenschaftliche Autor kommt dabei, gestützt auf die empirischen Daten einer eigenhändig geführten zunächst zehnjährigen Tellower Buchführung, zu dem Ergebnis, dass es bei vom Landwirt gewollter und im Modell unterstellter Gewinnmaximierung offenbar keine absolute Vorteilhaftigkeit lediglich einer bestimmten Bewirtschaftungsart des Bodens – wie z. B. des von Thaer zeitweise auch für Deutschland propagierten britischen „Norfolker Systems“ der Fruchtwechselwirtschaft – und auch nur für bestimmte Produkte, wie z. B. den Roggen, gibt. Vielmehr hängt es von der Höhe des städtischen Marktpreises für die einzelnen agraren Erzeugnisse ab, welches Produkt bei welcher Produktionsweise und bei welchen standortbedingten Transportkosten zum Zuge kommen kann. Unter der städtischen Nachfrage ergeben sich für den Autor auf diese Weise kreisförmige Anbauzonen für die einzelnen Produkte um das Absatzzentrum, die berühmten „Thünenschen Kreise“.

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