Thünen erdachte und formulierte nämlich als früher Vordenker einer Sozialen Marktwirtschaft, auf die Formel √ap ¬ gestützt, das neuartige Konzept eines naturgemäßen Arbeitslohns. Dieser Lohn entsprach seinem zunächst vor allem von Kant, später auch von Überzeugungen christlicher Art her entwickeltem moralischen Gesetz im Sinne eines „synthetischen Urteils a priori“. Eine solche Lohnbestimmung unterschied sich grundlegend von der Auffassung Adam Smiths und anderer Klassiker, die den natürlichen Lohn als knappheitsbedingt angesehen hatten, d. h. ausschließlich von der jeweiligen tatsächlichen Größe von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften aus bestimmt. In einem geänderten persönlichen Testament, das noch über vierzig Jahre nach Thünens Tod von seinen Erben voll eingehalten wurde – d. h. bis zum Jahre 1896 – liegt eine frühe stiftungsartige Institutionalisierung des Thünenschen betont sozialökonomischen Wirkens vor. Zwecks Förderung der Bildung und der Geburteneinschränkung der beschäftigten Arbeiter, aber natürlich auch zur Vergrößerung ihres materiellen Wohlstands, implizierte sie mehr als eine bloße Gewinnbeteiligung. Thünen untersagte nämlich ausdrücklich, das Gut Tellow zum Verkauf zu bringen, „indem ich will, dass meine Söhne oder einer von ihnen, aber kein Fremder – der die langsam reifende Frucht, Erhöhung des Wohlstandes und der Moralität der dem Gute angehörenden Leute zerstören könnte und damit ein Hauptstreben meines Lebens mit einem Schlage vernichten würde – Besitzer des Gutes Tellow werden“. Damit erfüllte er die von Kant übernommene Maxime, jede Person stets auch als Zweck, niemals ausschließlich als Mittel zu gebrauchen, selbst wenn andere Unternehmer diesen Grundsatz nicht befolgen sollten.
Den Individuen ist Thünens Auffassung nach die Macht gegeben, zur Freiheit zu gelangen, wenn sie dem egoistischen, auf das eigene Interesse gerichteten Streben entsagen, das Wohl des Staates zum Ziel ihrer Handlungen machen und durch tieferes Erkennen ihrer höhern Bestimmung sich selbst freiwillig die Grenzen stecken, die der Staat durch seine durch das Wohl des Ganzen gerichteten Gesetze als Zwang auflegt“. An die Adresse der umliegenden Staaten mit ihren nicht selten imperialistischen Machtinteressen gerichtet, fragt Thünen alsdann erheblich kritischer noch als gegenüber den bloß noch nicht zur Freiheit gelangten, d. h. noch rein egoistisch handelnden Einzelpersonen: „Gibt es nun für die Staaten und ihre Lenker keine solche Versöhnung mit dem Geschick, keine solche Erhebung zur Freiheit, wie den Individuen gestattet ist, müssen sie fort und fort im Zustande des Zwangs und des Entgegenstrebens gegen den Weltplan verharren?“ Thünens noch in die ferne Zukunft gerichtete Antwort, durch die er sich endgültig nicht nur als Raumdenker von Rang, sondern wie Kant auch als ein staatswissenschaftlich argumentierender Zeitanalytiker offenbart, lautet: „Schwerlich kann diese Versöhnung anders stattfinden, als wenn die Staaten es aufgeben, sich selbst als den Mittelpunkt der Erde, die anderen Nationen aber als Werkzeuge zu ihrem Nutzen zu betrachten. Die Versöhnung kann und wird stattfinden, wenn die Staaten das Wohl der Menschheit zum Ziel ihres Strebens machen, wenn sie zur Menschheit sich verhalten, wie jene zur Freiheit gelangten Individuen sich zum Staat verhalten“. Was in solchen Äußerungen Thünens zum Ausdruck kommt, ist ein sowohl ökonomisch als zugleich auch betont sozial ausgerichtetes frei-gemeinwirtschaftliches Handeln im Sinne einer nicht mehr manchesterliberalen, freilich auch keineswegs sozialistischen Dritten Ordnung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat.
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